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Alle Jahre wieder….

Weihnachten ist ein Fest der Liebe. Und wenigstens ein mal im Jahr hat jeder die Gelegenheit, dem anderen diesen hohen Wert zu signalisieren. Nach dem Motto: Auch wenn im vergangenen Jahr zwischen uns nicht alles so ganz glatt gelaufen ist, Schwamm drüber, im Grunde liebe ich dich, oder mag dich zumindest.

So ein heikles Thema zu kommunizieren oder mit Gesten oder Worten zum Ausdruck zu bringen ist nicht Jedermanns Sache. Darum gibt es den schönen Brauch, Geschenke zu machen. Eine Alternative wäre, dem anderen für das ein oder andere Ungemach, was man bereitet hat, um Verzeihung bitten und sich versöhnend die Hand zu reichen. Das mag in Ausnahmefällen zu Weihnachten angebracht sein, doch normalerweise zöge eine solche Art der Liebesbekundung eine therapeutische Schwere mit sich, die zur Stimmung, die sich jeder bei diesem hohen Fest wünscht, nicht recht passt. Darum sind Geschenke die eindeutig bessere Alternative.

Doch warum werden sie eingepackt? Es würde doch reichen, sie mit einem tiefen Blick in die Augen, um auch die Liebe nicht zu kurz kommen zu lassen, dem anderen in die Hand zu drücken oder nur ein Kärtchen anzuhängen damit der andere weiß, wem er diesen Ausdruck der Liebe zu verdanken hat. Jeder empfindet das als zu wenig. Geschenke gehören eingepackt und der Beschenkte muss auspacken. Doch warum?

Zunächst einmal weil es Freude macht. Es hebt die Stimmung, womöglich etwas zu bekommen, was auf der Wunschliste ganz oben steht, ähnlich, wie man sich auf eine köstliche Mahlzeit freut, wenn man Hunger hat. Ein gewisser Mangel gehört also im Vorfeld der Freude dazu, damit sie überhaupt entstehen kann. Hier sind wir nun dem Mensch Sein ziemlich weit auf die Schliche gekommen, denn wir sind nun mal polare Wesen, die den Mangel genauso brauchen wie die Fülle. Permanente Fülle, also immer und überall alles bekommen, was das Herz begehrt, hält der Mensch schlecht aus, weil es die Freude nimmt. Geschenke auspacken zieht die Stimmung in immer freudigere Bereiche, denn es könnte ja etwas zum Vorschein kommen, von dem ich noch gar nicht weiß, dass ich es dringend brauche.

Wo wir nun schon bei den Tiefen des menschlichen Seins angelangt sind kann man das Auspacken von Geschenken auch noch aus einem anderen Blickwinkel betrachten, nämlich als eine Abbildung eines psychischen Zyklus, der ähnlich abläuft wie das Atmen. Dann ist das Geschenk samt Verpackung ein Symbol für das, was wir in der Welt erwirtschaftet haben. Vielleicht steht es für ein Auto oder, wenn wir besonders erfolgreich gewesen sind sogar für ein Haus, das wir nun unser Eigen nennen können. Doch mit dieser Anstrengung ist der psychische Zyklus noch nicht am Ende. Jetzt ist erst die eine Hälfte absolviert, erst das Einatmen, das Ausatmen steht noch aus. Für diese zweite Hälfte steht das Auspacken der Geschenke. Es ist ein unbewusster Prozess. Wir müssen zum Kern dessen, was wir erarbeitet haben vordringen, wir müssen es aus seiner Verpackung befreien. Erst danach kann ein neuer psychischer Zyklus stattfinden. Was bedeutet das? Wir müssen erfassen, was es heißt, Hausbesitzer zu sein oder ein Autobesitzer.  Denn das Auto allein ist es nicht, was uns Befriedigung verschafft, erst das Wissen, sein Besitzer zu sein. Das zu erfassen ist keineswegs selbstverständlich, doch darauf kommt es an.  So wie eine gefüllte Einkaufstüte noch nicht satt macht, so kann uns plötzlicher Reichtum zunächst auch nicht befriedigen. Erst müssen wir das, was wir erworben haben verdauen, es muss sacken, wir müssen begreifen, dass wir nun jemand sind, der endlich das hat, wofür er lange gearbeitet hat. Dieses Begreifen ist es, das Freude macht, denn damit entsteht eine innere Fülle die uns zufrieden macht.

Wer sich fragt, warum er nicht zufrieden ist, obwohl er objektiv betrachtet eine ganze Menge hat, der sollte in Erwägung ziehen, bisher zu wenig ausgepackt zu haben. Er hat verpackte Geschenke angehäuft und weiß noch nicht, was sich darin verbirgt. Sich Zeit nehmen, über die Bedeutung dessen, was ich mir erarbeitet habe nachdenken und überlegen, was es für das persönliche Leben bedeutet, das heißt es, Geschenke auszupacken, und was dann geschieht bringt tatsächlich große Freude, denn das Leben blüht wieder auf. Mit dem Nachdenken haben wir uns für eine geistige Nahrung geöffnet, die uns neue Lebensimpulse gibt. Eine innere Auseinandersetzung, das Auspacken hat etwas Neues zum Vorschein gebracht, in uns ist ein neuer Geist geboren, lebendiges Leben. Ganz so wie die Geburt eines Kindes, des Jesuskindes. In diesem Sinne wünsche ich allen gesegnete Weihnacht.